Interview mit Dr. Wolfgang Straub, Wienbibliothek

Was umfasst der Nachlass Mira Lobes?

Die Wienbibliothek im Rathaus sammelt in ihrer Handschriftensammlung die schriftlichen Anteile an den Vor- und Nachlässen von Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Schriftsteller:innen. Der im Dezember 2023 an die Wienbibliothek im Rathaus gekommene Nachlass von Mira Lobe umfasst Korrespondenzen, Manuskripte und Typoskripte zu einigen ihrer Werke, Zeichnungen der Autorin, Recherchematerial, Veröffentlichungsbelege, Fotos, Lebensdokumente sowie Material zu und von ihrem 1958 verstorbenen Mann Friedrich Lobe.

Welche Bedeutung hat der Mira-Lobe-Nachlass für die Wienbibliothek im Rathaus?

Die Wienbibliothek im Rathaus übernimmt mit diesem Nachlass die Materialien einer der wichtigsten Kinder- und Jugendbuchautor:innen Österreichs. Nicht nur aus diesem Grund ist der Bestand von großer Bedeutung, er reiht sich auch ein in unsere wichtigen Exil-Bestände (u.a. von Joe Lederer, Marcel Prawy, Friedrich Torberg, Hugo Wiener, Hermann Leopoldi, Felix Braun). Durch den Bestand wird zudem unsere Sammlung an Materialien zur Kinder- und Jugendliteratur entscheidend erweitert – die Wienbibliothek besitzt bislang Bestände der Kinderbuchautor:innen Wilhelm Meissel und Graziella Hlawaty sowie – wahrscheinlich am prominentesten – die Materialien zu „Bambi“ und „Bambis Kinder“ im Nachlass Felix Saltens.

Wie wird der Nachlass in die Sammlungen der Wienbibliothek im Rathaus integriert?

Die Lobe-Materialien werden – wie sämtliche Bestände der Handschriftensammlung – nach den Regeln der „Ressourcenerschließung mit Normdaten in Archiven und Bibliotheken“ (RNAB) erschlossen und verlistet. Die RNAB ist ein Erschließungsstandard, der international in Archiven Anwendung findet. Er stellt Regeln und Begriffe bereit, um Bestände in ihren Teilen sowie ihren Inhalten zu beschreiben. Die Benützer:innen der Bibliothek haben damit zu ihrer Orientierung im Bestand ein standardisiertes, verlässliches und normiertes Vokabular zur Verfügung. Die Aufarbeitung mündet in einer online einsehbaren Liste; die Materialien werden – archiviert in säurefreien Umschlägen – in Archivboxen verwahrt, die über den Bibliothekskatalog bestellbar sind.

Wann wird die Sammlung dem Publikum zugänglich sein?

Wir sind bestrebt, die Erschließung des Bestands im Laufe des Jahres 2024 abzuschließen.

Wer darf – unter welchen Bedingungen – die Dokumente der Sammlung einsehen bzw. lesen und verwenden?

Es gibt keinerlei Zugangsbeschränkungen zu unseren Sammlungen. Mit einer Lesekarte kann jede und jeder Interessierte Archivboxen online bestellen, deren Inhalte dann vor Ort in unserem Lesesaal eingesehen werden können. Jegliche Veröffentlichung aus den Beständen darf nur nach Absprache mit den Rechteinhaber:innen erfolgen. Nur in Ausnahmefällen bestehen bei einzelnen Teilen von Beständen Kopier- oder Zugangsbeschränkungen, die von Bestandsbildner:innenn oder Rechteinhaber:innen erwünscht sind.

Was sind Ihres Erachtens die schönsten Stücke des Mira-Lobe-Nachlasses?

Ich persönlich finde besonders die mehreren Vorstufen zu „Das kleine Ich bin Ich“, die in einer Mischform aus Manuskript und Typoskript vorliegen, spannend, weil sich daran die Arbeitsweise der Autorin nachvollziehen lässt. Dieses Material könnte eine interessante Forschungsgrundlage sein. Und ein besonderer Schatz des Nachlasses sind die Zeichnungen und Entwürfe Mira Lobes aus den Exil in Palästina.

Dr. Wolfgang Straub, Leiter der Handschriftenabteilung der Wienbibliothek © Reinhard Öhner
Dr. Wolfgang Straub, Leiter der Handschriftenabteilung der Wienbibliothek
© Reinhard Öhner

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