Fotos und Videos zur Benennungsfeier am 16.10.2023 im Gemeindebau Wien 19, Boschstraße 24
© Videos: Katja Greitner, Verlag Jungbrunnen
Wortlaut der Benennungstafel zum Nachlesen
Adresse: 1190, Boschstraße 24
Baujahr: 1953 bis 1956
Wohnungen: 273
Architekten: Hans Bichler, Karl Eckenstorfer, Lois Holk,
Josef Ludwig Kalbac und Friedrich Schlossberg
Bürgermeister: Dr. Michael Ludwig
Vizebürgermeisterin, Frauen- und Wohnbaustadträtin: Kathrin Gaál
Wohnen in Wien.
Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des „Roten Wien' der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten linderten die Wohnungsnot. Bürgermeister Franz Jonas Acht-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen und eine Verbesserung einzelner Viertel zum Ziel. Die Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - in allen neu gebauten Wohnungen gab es Badezimmer und sie waren mindestens 55 Quadratmeter groß.
Der Name.
Mira Lobe war eine der berühmtesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen des letzten Jahrhunderts. Geboren als Hilde Mirjam Rosenthal 1913 in Görlitz an der heutigen deutsch-polnischen Grenze, absolvierte sie 1933 das Abitur, wurde aber
als Jüdin nicht zu einem Studium zugelassen. Stattdessen besuchte sie die Textil- und Modeschule in Berlin. 1936 emigrierte sie aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Palästina. Dort heiratete sie 1940 den Schauspieler und Regisseur Friedrich Lobe und bekam zwei Kinder. In dieser Zeit begann sie, Kinderbücher zu schreiben und zu illustrieren. 1948 erschien ihr erstes Buch „Insu-pu“, zunächst auf Hebräisch. Kurz nach der Gründung des Staates Israel zog sie 1950 mit ihrer Familie nach Wien, wo sie ab 1958 im Gemeindebau Boschstraße 24 lebte.
Mira Lobe schrieb mehr als 100 Bücher für Kinder unterschiedlichen Alters. Sie wurden weltweit in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Viele davon wurden von Susi Weigel illustriert, die sie von ihrer gemeinsamen Tätigkeit bei der kommunistischen Kinderzeitung UZ kannte. In späteren Jahren arbeitete sie auch mit Angelika Kaufmann, Christina Oppermann-Dimow und Winfried Opgenoorth zusammen. Einige ihrer berühmtesten Geschichten sind „Das kleine Ich-bin-ich“, „Die Omama im Apfelbaum“ oder „Die Geggis“. Ihre zeitlosen Bücher handeln von Gerechtigkeit, Gemeinsamkeit und Solidarität, aber auch von der Selbstbehauptung ihrer Figuren. Die mit Sprachwitz, Präzision und Klugheit geschriebenen Geschichten sind große Erzählkunst.
Lobe erhielt – neben vielen anderen Ehrungen und Auszeichnungen – viermal den Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur sowie zehnmal den Preis der Stadt Wien für Kinder- und Jugendliteratur. Heute vergibt die Literaturabteilung des Bundeskanzleramtes Mira-Lobe-Stipendien.
Mira Lobe starb am 6. Februar 1995 in Wien.
Die Architektur.
Die zur Straße hin geöffnete Anlage ist eine Weiterentwicklung von Wohnkonzepten aus den 1920er- und 1930er-Jahren. Sie bricht mit der Wiener Tradition der geschlossenen Hofform zugunsten einer konzentrierten Stapelung der Wohnungen. Die Achsen der Eingangsbereiche sind von der jeweils unterschiedlichen Grundfarbe der Gebäude differenziert und liegen in einem flachen Risalit vor der Fassade. Die Portale sind von einer Steinrahmung umgeben und mit einem Vordach ausgestaltet.
Die Geschichte.
Die Umgebung der Wohnhausanlage war ursprünglich landwirtschaftlich geprägt. Bis heute liegen am Hang zur Heiligenstädterstraße die Kellereien der Weingroßhändler. Im 19. Jahrhundert wurde die Gegend zum Sommerfrischeort. Es entstanden aber auch Industriebetriebe.
Die Kunst.
An einer der Fronten befindet sich ein Wandbild von Rudolf Reinkenhof (1956/57) mit dem Titel Schlaf „Traum und Erwachen“. Von Rudolf Pleban stammt ein Sgraffito mit dem Titel „Wiener Kastanienbaum". Besonders bemerkenswert sind die ebentalls 1956/5/ entstandenen, von verschiedenen Kunstler"innen gestalteten Torfeldmosaike, die das Tragen thematisieren.