Der Illustrator Winfried Opgenoorth über seine Bilder zum Buch Es ging ein Schneemann durch das Land und die Zusammenarbeit mit Mira Lobe.
Über den Umweg München habe ich Mira Lobe kennengelernt. Es war im Jahre 1978. Mit den Originalen zu meinem ersten Bilderbuch ging ich in München zum Verlag Ellermann. Ich präsentierte nicht nur meine 6 Bilder - das Buch war erst halb fertig - sondern auch selbstfabrizierte Reime. Die Illustrationen fanden Anklang, die Reime überhaupt nicht. Frau Spangenberg, die Verlegerin, legte mir nahe, da ich in Wien lebte, die Kinderbuchautorin Mira Lobe für das Schreiben der Texte zu gewinnen. Ich, damals Neuling, nicht wissend, wer Mira Lobe ist, rufe sie ganz unbefangen an. Hätte ich es gewußt, ich hätte es wohl kaum gewagt. Mira Lobe machte tatsächlich mit mir Unbekanntem einen Termin im Kaffeehaus aus, schaute sich meine Arbeiten an und erklärte sich bereit, Verse für mein - jetzt unser - Buch zu schreiben. Es entstanden wunderschöne Texte, und es war der Anfang einer großartigen, fruchtbaren und freundschaftlichen Zusammenarbeit. Wobei Zusammenarbeit mit Mira Lobe wirklich ein gemeinschaftliches »zusammen Arbeiten« bedeutet. Sie akzeptierte mich auch immer als gleichwertigen Partner.
Nach unserem ersten gemeinsamen Werk „Hokuspokus in der Nacht“ legte mir Mira Lobe einen Text vor mit der Frage, ob ich mir vorstellen könnte, dass daraus ebenfalls ein Bilderbuch werden könnte. Dieser Text war schon einmal in einer Anthologie erschienen. Er handelt von einem Schneemann der lebendig wird und auf Wanderschaft geht. Ich war sofort Feuer und Flamme, einmal weil der Text für mich viel zum Illustrieren hergab zum anderen, weil er wunderbar geschrieben war.
Mira Lobe überraschte immer wieder mit herrlichen Sprachspielereien.
So konzipierte ich - wie allgemein üblich - ein Bilderbuch mit zwölf Doppelseiten Bild/Text. Die Verlegerin Frau Spangenberg im Ellermann-Verlag München war sofort bereit das Buch herauszubringen, wollte aber zwei Doppelseiten einsparen, weil sie meinte, wir könnten den Inhalt mit zehn Doppelseiten genauso gut vermitteln und sie würde so einen Teil der Herstellungskosten einsparen. Das hat uns ziemlich betroffen gemacht.
So kam es, dass das Buch mit zehn Doppelseiten Bild/Text gedruckt wurde. Tatsächlich gab es deshalb nie eine Kritik, ich glaube sogar, dass es keinem aufgefallen war, weil es auf den Bildern ohnehin viel zu entdecken gibt.
Als Illustrator kann man sich so manche Freiheiten leisten, die man für sich selber macht, die aber kaum jemandem auffallen, und wenn, weiß es niemand zu deuten.
Auf einer Seite im Schneemannbuch ist zum Beispiel ein offener Kamin zu sehen auf dem Kaminsims unter anderem ein Teddy mit einer schwarzen Fußsohle. Meine Tochter, damals noch klein, besaß diesen Teddybär. Ich hatte die brennenden Kerzen auf dem Adventkranz für kurze Zeit außer Acht gelassen. Er fing Feuer, eine Hinterpfote des Plüschbären wurde angesengt. Ich hatte den Brand sofort gelöscht. Keinem fiel die schwarze Hinterpfote auf dem Bild auf, für mich ist es die Erinnerung an eine Fast-Katastrophe.
Dann die Seite mit der Winterlandschaft auf dem der Schneemann auf einer Eisscholle auf die Reise geht, da habe ich mir einen kleinen Scherz erlaubt. Auf der rechten Seite unten, ganz klein, ist ein Mann mit einem Kind an der Hand zu sehen, beide winken einem
Hubschrauber, der quasi die Draufsicht von oben macht, zuwinken. Der Mann bin ich, an der Hand meine Tochter Valerie, sie wurde ein bisschen später in dem Bilderbuch „Valerie und die Gute-Nachtschaukel“, das Mira Lobe in Reim-Form so wunderbar getextet hatte, verewigt.
Das Schneemannbuch wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Bemerkenswert ist, dass die beiden Seiten, die in der deutschsprachigen Ausgabe eingespart worden waren, sowohl in der dänischen als auch in der schwedischen Ausgabe abgedruckt wurden. Zu Mira Lobes und meiner Freude kamen diese Seiten so doch noch zu Ehren.
Buchbeschreibung
Es ging ein Schneemann durch das Land
Der Schneeman steht im Garten. Er ist ein ganz gewöhnlicher Schneemann – bis ihm die kleine Lisa einen Schluck heißen Tee bringt. Da wird aus dem Schneemann eine Teemann, den es nicht mehr im Garten hält. Als Schneemann-Gehmann stapft er durch das Gartentor und geht in die Stadt. Der Trubel dort ist ihm zu viel, er wandert aufs Land und freut sich über dick zugeschneite Felder und Wiesen. Doch als ihm eine Krähe erzählt, dass er im heißen Sommer auf dieser Wiese schmelzen werde, da beschließt er nach Norden zu wandern und als Schneemann-Teemann-Seemann übers Meer bis zu den Eisbären zu reisen. Ob er wohl angekommen ist und ob es ihm dort gut geht?
Mit ebenso humorvollen, wie anrührenden Sätzen werden hier die Erlebnisse des unternehmungslustigen Schneemanns geschildert. Winfried Opgenoorths doppelseitige farbige Bilder verleihen dem Buch eine ganz eigene Poesie und ermöglichen es Kindern und Erwachsenen die weite Reise des Schneemanns detailliert nach zu vollziehen.
Erschienen bei Jungbrunnen